E. Eimers: Preussen und die USA 1850 bis 1867

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Title
Preussen und die USA 1850 bis 1867. Transatlantische Wechselwirkungen


Author(s)
Eimers, Enno
Series
Quellen und Forschungen zur Brandenburgischen und Preußischen Geschichte 28
Published
Extent
662 S.
Price
€ 86,00
Rezensiert für 'Connections' und H-Soz-Kult von:
Alexander Emmerich, Heidelberg Center for American Studies, Universität Heidelberg

Enno Eimers widmet sich in seiner gründlich recherchierten Studie “Preußen und die USA, 1850 bis 1867” dem Verhältnis zwischen den zeitgenössisch als Hort der Freiheit geltenden Vereinigten Staaten von Amerika und dem größten deutschen Königreich Preußen. Seine Arbeit umfasst den Zeitraum von 1850 bis hinein ins Jahr 1867. In dieser Epoche waren beide Staaten in mehrere nationale sowie internationale Großereignisse und Konflikte verwickelt: der Krimkrieg, die deutsche Überseeauswanderung, die Sezession, der amerikanische Bürgerkrieg sowie den deutschen Krieg zwischen Preußen und Österreich. All diese Ereignisse analysiert Eimers mit Blick auf das amerikanisch-preußische Verhältnis und legt hierbei sein Augenmerk auf die Außenpolitik und Wirtschaft beider Staaten.

Bis in die 1850er Jahre hinein waren die preußisch-amerikanischen Beziehungen weder für Washington noch für Berlin von besonders großer Bedeutung. Beide Staaten schlossen bereits 1785 einen Freundschafts- und Handelsvertrages miteinander ab und kamen sich seither in keiner Weise politisch in die Quere. Zwischen beiden herrschte eine nüchterne Distanz, wenn nicht sogar ein Desinteresse. So fiel es Preußen scheinbar nicht schwer, den Anspruch der USA über die gesamte westliche Hemisphäre, wie in der Monroe-Doktrin von 1823 proklamiert, anzuerkennen. Mitte des 19. Jahrhunderts änderte sich dies. Preußen entdeckte sein Interesse an den Vereinigten Staaten und erhöhte die Zahl seiner Konsulate in den USA auf 14: New York, Philadelphia, Baltimore, Charleston, New Orleans, St. Louis, Galverston, Savannah, Cincinnati, San Francisco, Louisville, Milwaukee, Chicago, Boston und New Bedford verfügten nun über Konsulate. Nur Großbritannien besaß mehr Vertretungen in den USA als Preußen. Eimers führt zwei Gründe auf, warum sich die preußisch- beziehungsweise deutsch-amerikanischen Beziehungen intensivierten. An erster Stelle nennt er die großen Auswanderungswellen aus allen deutschen Staaten. Darüber hinaus seien neue, intensivere Handelsbeziehungen ein weiterer Grund für diese Ausweitung. Während des Untersuchungszeitraums emigrierten mehr als 1,5 Millionen Deutsche in die Vereinigten Staaten. Gerade die Flüchtlinge der gescheiterten Revolution von 1848 wanderten in die USA aus. Obwohl sie nur eine Minderheit unter den deutschen Einwanderern bildeten, waren sie aufgrund ihrer Tätigkeiten im deutschamerikanischen Pressewesen besonders sichtbar. Sie verstanden sich als Sprachrohr ihrer ethnischen Gruppen und gewannen schnell politischen Einfluss, der sich auch auf die amerikanische Regierung auswirkte. Obwohl diese Gruppe antimonarchisch war, wirkten sich ihre Aktivitäten in keiner Weise negativ auf die preußisch-amerikanischen Beziehungen aus. Stattdessen benötigten sie wie auch die restlichen Millionen deutsche Einwanderer die konsularischer Dienste der Gesandtschaften.

Im Verhältnis von Preußen und den USA ragen im Untersuchungsraum auf deutscher Seite zwei Persönlichkeiten besonders heraus, die sich wie ein roter Faden durch Eimers Buch ziehen: Alexander von Humboldt und Friedrich von Gerolt, der preußische Gesandte in Washington. Humboldt war der große Fürsprecher der Vereinigten Staaten in Preußen, der die Vereinigten Staaten stets als ein Vorbild ansah. Beide preußische Könige, sowohl Friedrich Wilhelm IV. als auch Wilhelm I., standen Humboldt sehr nahe. So ist es nicht verwunderlich, dass die beiden Könige eine amerikafreundliche Haltung einnahmen und sich damit gegen den reaktionären Teil der preußischen Regierung behaupten mussten. Der amerikafreundliche Kurs der Könige zeigte sich vor allem während des amerikanischen Bürgerkrieges. Das große innenpolitische Thema, das Humboldt interessierte, war vor allem die Sklavenfrage. Ähnlich wie viele Deutschamerikaner unterstützte Humboldt die Politiker der neuen republikanischen Partei, die gegen die Sklaverei Stellung bezogen.

In seiner Studie analysiert Eimers auch die unzähligen Briefwechsel Humboldts mit vielen seiner amerikanischen Freunde, die er auf seinen Reisen in die USA oder aber als Reisende in Preußen kennen gelernt hatte. Der ergiebigste Briefwechsel ist aber sicherlich der zwischen Humboldt und seinem Freund Friedrich von Gerolt, dessen diplomatische Karriere vor allem in der Fürsprache Humboldts beim preußischen König begründet liegt. Gerolt war zunächst von 1829 bis 1844 am Generalkonsulat in Mexiko tätig, als er im September 1844 zum "Königlich Preußischer Ministerresident bei den Vereinigten Staaten von Nordamerika" berufen wurde. Er hatte dieses Amt mit einer kurzen Unterbrechung von 1844 bis 1848 und von 1849 bis zu seinem Ruhestand im Jahr 1871 inne und gilt somit als derjenige deutsche Diplomat mit der längsten diplomatischen Amtszeit in Washington. In seiner Aufgabe als preußischer Gesandter traf Gerolt über Jahrzehnte die führenden amerikanischen Politiker dieser Zeit. So stand Gerolt in engem Kontakt mit den amerikanischen Präsidenten seiner Amtszeit James K. Polk, Zachary Taylor und Millard Fillmore, der als einziger US-Präsident im 19. Jahrhundert nach seiner Amtszeit Deutschland besuchte, sowie Franklin Pierce, James Buchanan, Abraham Lincoln, Andrew Johnson und Ulysses Grant. Nicht alleine deswegen sind seine Briefwechsel eine reichhaltige Fundgrube an Meinungen, Beobachtungen und Erfahrungen eines preußischen Beobachters in Washington.

Die archivarische Grundlage dieser Studie bilden Akten der Preußischen Regierung, der preußischen Mission in Washington und der preußischen Konsulate in den USA aus dem Preußischen Geheimen Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz. Hinzu kommen Archivalien der Stiftung Preußischer Kulturbesitz sowie Aktenbeständen der National Archives in Washington. Diese Quellen, sowie die Aufzeichnungen und Briefe von Friedrich von Gerolt und der amerikanischen Gesandten in Berlin, Daniel Barnard, und in Frankfurt am Main, Samuel Ricker, sind die zentrale Quelle der Studie von Eimers.

Doch auch diese Studie weist ihre Schwächen auf: So steht im Mittelpunkt der Darstellung von Eimers lediglich die Außenpolitik. Die gegenseitige Perzeption der sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Probleme des jeweils anderen Staates ist leider nur am Rande Gegenstand dieser Studie. Der Leser erhält lediglich einen Einblick in die Problematik der amerikanischen Xenophobie beziehungsweise der Nativismusbewegung der 1850er-Jahre, die sich hauptsächlich gegen deutsche und irische Einwanderer richtete. Andere soziale und gesellschaftliche Themen wie die Sklaverei werden nur im Kontext der Sezession der Südstaaten genauer, nicht aber als eigenständiges, gesellschaftliches Problem betrachtet.

Dennoch hat der Verfasser auf der Grundlage einer intensiven Quellenanalyse eine mustergültige Studie der Diplomatiegeschichte vorgelegt. Diese Studie beschreibt die Eigenständigkeit Preußens im internationalen Mächteverhältnis sowie die Außenpolitik des mächtigsten deutschen Staates. Wer ein eindrucksvolles Beispiel dieses Genres erwartet, wird von Eimers umfangreicher Studie nicht enttäuscht sein.

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Published on
30.06.2006
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Diese Rezension entstand im Rahmen des Fachforums 'Connections'. http://www.connections.clio-online.net/
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